Ratssitzung 20.03.2023
Gestern tagte der Rat und bot das an Debattenvielfalt, was eindeutig seit Jahren seine Stärke ist: Globalreden, die selbst die Einlassung eines Gullydeckels innerhalb der Fahrbahn in den ganz großen Zusammenhang einbetten. Wortbeiträge, bei denen nur noch die Ghettofaust fehlte, und Einwürfe, vor denen man offensichtlich zu viele Runden im Kettenkarussell absolviert hatte, denn es mangelte im Anschluss arg an der notwendigen Orientierung durch den Themendschungel. Fehlen durfte auch die Selbsterfahrung nicht, denn mancher hat schon überall in Oldenburg gewohnt und wird deshalb seither stets von „sehr, sehr vielen“ Menschen angesprochen und kennt sich somit besonders gut aus. Abgerundet wird dieses mittels der Klärung von Detailfragen, die keiner stellte und bei denen, ups, so manche Grundannahme leider nicht stimmt. Ob der Kollege, der in seinem Rücken saß, ihm das aus eigenem Erleben später noch mitgeteilt haben wird? Wahrscheinlich nicht. So viel Kollegialität wird dann doch nicht bestehen, wenn man ohnehin erahnt, dass Widerreden keinen fruchtbaren Boden findet. Aber das übernehmen wir dann gerne in unserer kommenden Podcastfolge.
Jedenfalls passierte die Gebührenerhöhung fürs Bewohnerparken am gestrigen Tag den Rat: Endlich! Nachdem der Bundesgesetzgeber den Weg frei gemacht hatte, damit Kommunen über die Höhe selbst entscheiden können, wird es auch in Oldenburg zukünftig mehr kosten, das Auto abends an die Straße zu stellen. Definitiv mehr als der bisherige Betrag, der zum Todlachen war. Ob der bis 2027 ins Auge gefasste Pfad zur Gebührensteigerung anderen Entwicklungen trotzen wird oder nochmals angepasst werden muss, wird man in den nächsten Jahren sehen. Mittels demokratischen Mehrheitsbeschluss lässt er sich jedenfalls abändern, so dass sich die Empörung seitens CDU, Linke und FDP-Volt mal so langsam wieder abflachen könnte. Darum baten auch jene Mehrheitsfraktionen von Grünen und SPD, die glaubten mit taktischer Finesse die Gebührendebatten vorzuziehen, um weiteren Fraktionen den Beschluss über den Mobilitätsplan 2030 zu erleichtern. Öffentlich hatte man die aufkommenden Fragen zu diesem Schritt und dessen Beweggründen, der eine selbstveröffentlichten Ankündigung aus November Lügen strafte, nicht beantwortet. Entweder herrschte unorganisierte Schockstarre oder ratlose Gleichgültigkeit. Am Ende ging der Schuss gehörig in den Ofen, was auch der Stimmung während der Debatten zu entnehmen war. Nun befinden sich die erhöhten Gebührenansätze dank einer an dieser Stelle mit logischer Konsequenz handelnden Verwaltung im besagten Plan und die Fraktionen, die man noch ins Boot holen wollte – warum auch immer – kündigten bereits an, mit Ablehnung stimmen zu wollen. Das Boot darf aus deren Sicht gerne ohne sie ablegen. An dieser Stelle schmerzt es als Zusehende umso mehr, wenn sich dann ein Vertreter des Bündnisses nach anderthalb Monaten des Ausschweigens hinstellt und erklärt, man habe dieses Manöver nur durchgeführt, um den anderen Fraktionen „eine Brücke zu bauen“. Was für ein paternalistischer Murks! Da verwundert es auch nicht, dass der Puls bei dem ein oder anderen aus der CDU so hochschoss, dass er sich für eine Zwischenruflappalie einen Ordnungsruf einfing. Da hatte offensichtlich der Ratsvorsitzende einen unruhigen Finger am Abzug. Der CDUler wird’s überleben. Ob er der am Ende mehrfach vorgetragenen und äußerst großzügigen Einladung von Vertreter*innen des Mehrheitsbündnisses, nun gemeinsam an den anstehenden Herausforderungen der Mobilitätswende zu arbeiten (mit viel Mut, Entschlossenheit und weiterem Blabla), folgen wird, mag man getrost bezweifeln dürfen. Da muss man schon sehr tief durchatmen und eine große Nähe zu Buddha pflegen, um sich ohne handgreiflich zu werden von denjenigen den Ratschlag zur konstruktiven Zusammenarbeit geben lassen zu müssen, die ebendieser im Februar mittels eines völlig unnötigen Stilbruchs eine Absage erteilt hatten. Und die bis heute nicht den Schneit haben, dieses mit drei Worten zuzugeben.
Die Hoffnung, dass man sich nun den versprochenen Alternativen zuwendet, die laut des vollmundig angekündigten Planes noch ganz hoch hängende Früchte sind, bleibt bestehen. Auch wenn im Juni bei der finalen Abstimmung über den Mobilitätsplan 2030 die selbstverscharrte Stilleiche (Achtung: Bitte lesen als Stil-Leiche, nicht Stiel-Eiche) – da muss man kein Prophet sein – als ungebetener Widergänger den Weg in die Debatte finden wird. Wie sagte jemand weiseres mal so trefflich: Die Geister, die man rief, wird man bekanntlich nicht mehr (so schnell) los. Und leider ist es eher ein Geisterfahrer als der freundliche Casper.