Die Geschichte von der verstolperten Mobilitätswende – zweiter Akt
Die Grünen im Oldenburger Stadtrat könnten einem dieser Tage leidtun. Selbst Projekte wie das Protected-Bike-Lane‘chen an der Nadorster Straße geraten zum kommunikativen Desaster und werden in der Öffentlichkeit vor allem der größten Ratsfraktion angekreidet. Dabei sind die Vorüberlegungen der Verwaltung bereits etliche Jahre alt und wurden seinerzeit von jenen kaum beachtet, geschweige kritisiert, die heute den Sturm der Entrüstung wöchentlich befeuern und es schon immer besser gewusst haben wollen: der CDU. Wenn diese schon keine eigenen ernsthaften Vorschläge unterbreitet, wie die Mobilitätswende in Oldenburg gelingen könnte, wildert sie zumindest dort, wo sie bisher gerne die Ökopartei allein in die Ecke gestellt wissen wollte: bei der Hegemonie über die Besserwisserei.
Der CDU muss man an dieser Stelle aber zugutehalten, dass die Grünen es ihr auch leicht machen und somit auch den Boden für deren aktuell wenig konstruktive Rolle bereiten. Sie laden diese vielmehr dazu ein, diese befremdlich wirkende politische Nische zu besetzen. Denn weder wird von den Umweltbewegten das Verwaltungshandeln kontinuierlich kritisch begleitet, noch wird die mangelnde Kommunikation der bei der Mobilitätswende uneinigen Stadtverwaltung mittels eigener Pressearbeit und Kontaktpflege mit der Öffentlichkeit sowie den direkt Betroffenen aufgefangen. So kann sich die CDU breit grinsend hinten reinstellen und seelenruhig den nächsten Fehler abwarten, über den sie sich genüsslich mit verbalen Superlativen hermacht. Das wiederum führt zu dem altbekannten Reflex, dass in der Aufregung über die neuerliche Entgleisung der vermeintlichen Opposition (gibt’s in der kommunalen Selbstverwaltung übrigens nicht) eigene Fehler nicht aufgearbeitet werden.
Das allein wäre schon ausreichend, um im verregneten November schlechte Laune zu bekommen, während man betrübt das Fleischersatzprodukt kaut und am ersten Kinderpunsch süffelt. Aber nein, es gibt ja noch den Bündnispartner SPD, von dem nach dem Abgang Vally Finkes noch weniger zu erwarten ist. Was man jedoch immer erwarten sollte, sind halbverdeckte Ansagen, wie sie am Montag im Verkehrsausschuss bei der Beratung der Bewohnerparkgebühren gemacht wurden. Als wäre es nicht schon demütigend genug, dass Grüne im ersten Anlauf zur Neufassung der Gebühren – abweichend vom Vorschlag der Gutachter - bereits nach wenigen Monaten aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine schmerzhafte Bauchlandung hinlegen durften. Der nächste Gesichtsverlust, der offenbarte, dass in Verhandlungen die SPD in der Regel als Gewinner vom Platz geht, war der jüngst eingebrachte Antrag zur abermaligen Gestaltung besagter Gebühren. Sowohl deren Höhe – dieses Mal in andere Richtung abweichend vom Gutachtervorschlag - als auch die magere Begründung sprachen bereits Bände. Da möchte man als Zuschauer lauthals zurufen, dass das so leider auch mit den Push-Faktoren nichts wird, nachdem bereits die Pull-Maßnahmen für die Mobilitätswende verwaltungsseitig ausgedünnt wurden und stetig weiter in die Zukunft geschoben werden. Dies wissen auch die intern grummelnden Grünen, die sich trotz allem in der Verkehrsausschusssitzung dazu hinreißen ließen, davon zu sprechen, dass sie sich von der SPD überzeugen lassen hätten. Autsch! Manches Mal ist Schweigen dann doch der angebrachte Weg oder schlichtweg Ehrlichkeit an den Tag zu legen: Man habe sich nicht durchsetzen können, das störe einen selbst und man erwarte von einem Bündnispartner, der in seinem Wahlkampf zumindest vorgab, im Verkehr etwas zu mehr Umweltfreundlichkeit drehen zu wollen, zukünftig mehr – und das letzte Wort sei ohnehin noch nicht gesprochen. Fertig. Daher verwunderte es nicht, dass die SPD-Vorsitzende ihres Verhandlungstriumpfes bewusst mehr als deutlich machte, dass für die Sozialdemokraten bei 200 Euro im Jahr das Ende der Fahnenstange bereits erreicht sei und sie – und jetzt kommts dicke - ohnehin noch einmal rechtlich geprüft haben wollte, ob die Einnahmen tatsächlich, wie von Grünen gewünscht, ausschließlich an Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehrs gebunden werden können. Hallo?! Wer diesen Verwendungszweck ernsthaft zum Ziel hat, weckt doch nicht selbst die rechtlich bissigen Hunde. Und wenn lediglich die Wissbegierde die treibende Kraft ist, geht man zumindest den sog. kurzen Dienstweg über den eigenen Oberbürgermeister, der wiederum sein Rechtsamt konsultiert. Ohnehin ist die zu erwartende Antwort jedem klar, der auch nur einmal einen städtischen Haushalt mitbeschlossen hat und sich die Frage stellte, wofür es gesonderte Gebührenhaushalte wie beim AWB gibt.
Es ist ein Trauerspiel, das in den nächsten Akt geht. Und jene, die ab 2026 über die selbstredend notwendige Erhöhung der Bewohnerparkgebühren streiten dürfen, werden es mit der Faust in der Tasche danken. Nur was sollen sie dann noch bei Verhandlungen in die Waagschale werfen, nachdem dieser Tage bereits für solch mickrige Veränderung grünes Tafelsilber (die Ablehnung der Verbindungsstraße westlich des Fliegerhorsts, die Verhinderung weiterer Bebauung im Weißenmoor, kein Verkauf von städtischen Grundstücken, sondern ausschließlich Vergabe in Erbpacht u.v.m.) vertraglich verscherbelt wurde? Es ist eine Tragik, wenn eine Seite Veränderungen möchte und die andere mit einem einfachen „Nein!“ das politische Spiel bestimmt. Besser gesagt: Man sie bestimmen lässt.
Sie könnten einem daher wirklich leidtun, wenn die jetzige Situation nur nicht hausgemacht wäre. Und dieses führt leider dazu, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass weder bei der Stadtverwaltung noch bei der Ratsmehrheit ein in sich schlüssiger Plan existiert, wie man die viel beschworenen und selbstgesteckten Klimaziele im Verkehrssektor tatsächlich erreichen möchte. Wie beschrieb es der Vertreter von Volt im Verkehrsausschuss so treffend: „Die Ratsmehrheit irrlichtert herum.“