Von Brücken und Unterführungen
Bekanntlich ist das Fehlen der Cäcilienbrücke ein verlässlicher Themengast in der Instagramfragestunde des Oberbürgermeisters. Auch die Erwiderung ist hinlänglich bekannt: Die Wiedererrichtung und dessen Zeitplan obliegt einer Bundesbehörde, auf die die Stadt Oldenburg keinerlei Einfluss besitzt. Etwas Abwechslung boten daher zwei Brücken, über die jüngst in der Stadtgesellschaft gesprochen wurde: die Fuß- und Radverkehrsbrücke in Krusenbusch sowie die Amalienbrücke. Dass Brücken eine wichtige Funktion erfüllen, wusste bereits Ingrid Peters, als sie 1986 mit „Über die Brücke geh‘n“ die Fahne der alten Bundesrepublik beim ESC in Bergen hochhielt. Am Ende reichte es für Platz 8, aber jeder, der der deutschen Sprache mächtig ist, wusste seitdem: Wer über eine Brücke geht, wird andere Menschen verstehen.
Wir von Verkehrskontrolle wünschten uns, dass diese Schlagerweisheit Allgemeingültigkeit besitzen würde. Denn unser Verständnis erschöpft sich bei beiden Vorgängen recht schnell, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Zur Erinnerung: Bereits 2012 stellte das damalige Rot-Grüne Ratsbündnis Planungsgelder für den Ersatz der in die Jahre gekommenen Brücke in Krusenbusch ein, die über Bahngleise führt und für Radfahrende ein Oberarmtraining erster Güte ist. Eine Unterführung sollte her, die endlich ein akzeptables Maß an Barrierefreiheit bieten würde. Einige Jahre später, das Bündnis war zwar Geschichte, stellten auf originären Wunsch der SPD Rote und Grüne erneut Planungsmittel ein - angeblich war die Angelegenheit vom eigenen Oberbürgermeister in eine der vielen Schubladen verwiesen worden. Und endlich ging es etwas voran. Träge Verhandlungen mit der Bahn zeitigten Ergebnisse, ein Bau würde bis zu 7 Mio. Euro kosten. Bis hierhin hatten wir noch Verständnis. Was sich aber in den letzten Tagen ergab, ließ uns einmal mehr geistig stranden: Im Rahmen eines Gesprächs mit den betroffenen Bürgervereinen soll Stadtbaurätin Schacht erklärt haben, dass die Unterführung aufgrund des Untergrundes nach neuesten Schätzungen 20 Mio. Euro Kosten erzeugen würde und sie daher ganz treu der ersten Strophe von Peters ESC-Hit folgendes vorschlägt: „Laß uns beginnen und eine Brücke bau‘n“. Um es den Radfahrenden aber zu erleichtern, habe sie eine Idee aus Trier mitgebracht, ihrer vorherigen Wirkungsstätte: Fahrstühle. Gemäß Schilderungen von Anwesenden soll etlichen die Spucke weggeblieben sein. Wir würde unsere auch noch suchen, wenn wir nicht schon mit folgenden Fragen zu stark beschäftigt wären:
Warum wusste man bei der vorherigen Kostenschätzungen nichts vom Untergrund und der Last der Gleise? Beides war seinerzeit schon vorhanden, wir können es bezeugen!
In welcher Welt sind leider oft stör- und vandalismusanfällige Fahrstühle eine probate Lösung?
Und warum muss man hier wieder sparen, sieht es doch angeblich mit dem Haushalt so rosig aus, wenn man an die Aussagen der Verwaltung denkt, die fallen, wenn es kritische Aussagen zum Stadionneubau gibt?
Aber vor allem geht uns eine Frage durch den Kopf: Ist es eine Oldenburger Gesetzmäßigkeit, dass Projekte, die einer Verkehrswende dienen würden, versanden oder nur schleppend halbherzig umgesetzt werden? Wo bleibt da der Verfassungsauftrag eines Rates, die Verwaltung zu kontrollieren und anzuweisen?
Anstatt dieses zu tun, zieht man lieber neue Aufträge aus der Werbekiste und posaunt herum, dass demnächst etwas ganz wichtiges geschehen würde. So kommen wir auch schon zur zweiten Querungsstory: die Amalienbrücke.
Da hat nach uns vorliegenden Informationen das Grün-Rote Bündnis auf Wunsch der SPD Finanzmittel eingestellt, um „die Amalienbrücke instand zu setzen“. Sie lesen richtig: Instandsetzung! Liest man mehr als die großspurige Überschrift, in der die Sozialdemokraten den Vorstoß auf Social Media verbreiteten - selbstredend in alter Tradition wie bei der anderen Brücke, nämlich ohne Grüne zu erwähnen - stellt sich heraus, dass es tatsächlich um ein paar optische Aufhübschungen geht. Insbesondere auch um die zu keiner Zeit irgendeine Attraktivität entfaltenden Sitzmöbel, die nun die SPD ausbessern lassen möchte. Und dieser Mangel fußt nicht in deren Optik oder Ergonomie, sondern in deren Lage: Wer in Herrgotts Namen möchte sich freiwillig an einer hochfrequentierten Straße vom Kfz- Lärm zudröhnen lassen und das länger als nötig? Denn die Funktion einer Brücke liegt vielmehr in deren Überwindung und weniger in deren Inbesitznahme - auch wenn der Planungsgedanke aus den 80ern zu würdigen ist und die Bänke dem ein oder anderen Erlahmten in unserer älter werdenden Gesellschaft eine Möglichkeit des kurzzeitigen Kräftesammelns bieten wird. Apropos Überwindung der Amalienbrücke: Bei Frost aufgrund des verwendeten Belages und der vorhandenen Steigung zu Fuß schier unmöglich. Jedenfalls ohne Frakturen.
An dieser Stelle gaben wir die Suche nach unserem Speichel endgültig auf und möchten das Ratsbündnis freundlichst daran erinnern, dass diverse Aufträge aus dem Verkehrsbereich noch nicht umgesetzt wurden. Daher sollte man sich eher um diese kümmern - nachhaken oder kommunale Kärrnerarbeit nennt man das - bevor man Maßnahmen verkündet, deren politische Beratung im Fachausschuss weder bisher stattfand noch dass man die Rechnung mit der Oldenburger Stadtverwaltung gemacht hat. Jener Stadtverwaltung, die u.a. den Grün-roten Beschluss aus Frühjahr 2023 zur Parkraumbewirtschaftung im Haareneschviertel nicht umgesetzt hat. Eines der Themen, die entgegen geltender Beschlüsse oder Ankündigungen liegen blieben und die wir mittels der unsererseits sehr geschätzten Einwohnerfragestunde des Verkehrsausschusses aufzugreifen gedenken.
Wir werden wie gewohnt berichten.
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